Lachseeschwalbenzaun an der Unterelbe - Foto: Bernd Hälterlein
Wichtige aktuelle Mitteilung!!
Die E-Mail-Adresse des NABU-Elbmarschen (vorstand@nabu-elbmarschen.de) kann zur Zeit nicht genutzt werden.
Jimdo hat uns während der Nutzung gesperrt, obwohl wir auch eine knapp sechzigprozentige Preiserhöhung in den letzten drei Jahren ertragen haben.
Seit Donnerstag, den 05.05.22 versuchen wir ständig Jimdo zu erreichen, die jeweils nur mit einer generalisierten Standardantwort reagieren. Ein
fernmündlicher Kontakt ist auch nicht möglich, man konnte zwar die Mailbox besprechen, es wird aber nicht zurückgerufen.
Wir haben dadurch auch keinen Zugriff auf die Mitgliederadressen sowie weitere Adressen.
Wir bitten, dies zu entschuldigen!
Wir haben jetzt behelfsweise eine andere E-Mail-Adresse eingerichtet.
Sie lautet:
vorstand-nabu-elbmarschen@gmx.de
Hierüber sind wir jetzt zu erreichen.
Bauprojekt in Uetersen: NABU äußert Dioxinverdacht: Wiese an der Kleinen Twiete verseucht?
Verdacht beruht auf Schreiben des Kreises Pinneberg, Fachdienst Umwelt, vom 30.01.2020 !
Uetersen, den 02.04.2022
Leserbrief:
NABU äußert Dioxinverdacht:
Am 01.04.22 wurde in Ihrer Zeitung zum Thema "Bebauung Feuchtwiese Kleine Twiete" darüber berichtet: NABU äußert Dioxinverdacht.
Das Wesentliche, worauf der NABU seinen Verdacht stützt, wurde im Artikel jedoch unterlassen.
Dem NABU liegt ein zweieinhalb Seiten langes Schreiben der zuständigen Behörde des Kreises Pinneberg für Bodenschutz und Grundwasser vom 30.01.2020 vor, welches der Uena zur Verfügung gestellt wurde.
In diesem Schreiben bezeichnet die Behörde das Gebiet an der Feuchtwiese in der Überschrift und im Text als Dioxingebiet Uetersen!
Im Schreiben wird chronologisch und detailliert die Historie der mit Dioxinen belasteten Straßen Wiesengrund, Am Eichholz und Esinger Steinweg aufgezeigt.
Diesem Behördenschreiben läßt sich u.a. entnehmen:
-Die zuständige Behörde hat den Grundstückseigentümern aufgrund der hohen Dioxingehalte im Papierschlamm in Bereichen mit den getroffenen Ablagerungen Sanierungen angeboten
-Die Behörde hat den Anwohnern Beschränkungen für den Anbau von Nahrungspflanzen auf betroffenen Böden empfohlen
-Es hat als Sicherungsvariante Bodenaufschüttungen von bis zu 60cm auf Grundstücken gegeben, auch solche, die an die Wiese grenzen. Es standen keine Deponiekapazitäten zur Komplettsanierung zur Verfügung.
Unstrittig ist zudem, dass das Grundwasser von den höher gelegen belasteten Flächen Am Eichholz zur Wiese fließt, zudem finden durch Tiere im Erdreich ständig Bewegungen statt.
Es stellt sich die Frage: "Haben die Landwirte seit den sechziger Jahren bei der Einarbeitung der belasteten Papierschlämme direkt vor der jetzt beplanten Wiese halt gemacht?"
Es steht Jedermann selbstverständlich frei, den Sachverhalt zu bewerten.
Das Behördenschreiben hat der NABU-Elbmarschen auf seiner Homepage unter "Aktuelle Themen" eingestellt.
Roland Dilchert
Vorstand NABU Elbmarschen
Dieses Schild steht ca. 200m südlich der geplanten Bebauungsfläche.
„Die Jungvögel von Amseln, Grünfinken, Grasmücken und Zaunkönigen werden gerade flügge. Wer jetzt seine Sträucher schneidet, riskiert den Nachwuchs der fröhlichen Sängerschar“, erläutert der Ornithologe Marco Sommerfeld vom NABU Hamburg. „Auch finden Beutegreifer die Nester mit den Jungvögeln viel einfacher, wenn schützende Zweige weggeschnitten werden.“ Im Juni gebe es bei vielen Singvögeln eine zweite Brut, die ebenfalls durch das Heckenschneiden gefährdet werde. Die Pflanzen befänden sich bis Ende Juni im zweiten Wachstumsschub. Wer schon um Johanni (um den 24.6. herum) die Heckenschere auspackt, müsse sie deshalb noch ein zusätzliches Mal einsetzen. „Auf jeden Fall gehört für naturfreundliche Gärtner vor dem Schnitt eine intensive Suche nach belegten Nestern in den Sträuchern dazu“, erklärt der Vogelexperte. Auch gesetzlich müsse jeder, der Hecken schneidet, darauf achten, Vögel nicht unnötig zu stören. Der NABU bittet Gartenbesitzer aber ausdrücklich darum, zum Schutz der Vogelwelt Hecken erst ab Ende Juli zu schneiden.
Wer besonders im Frühjahr einmal durch die heimischen Buchenwälder spazieren geht, wird sie mit ein wenig Glück und Geduld ganz sicher zu sehen bekommen: die Rötelmaus Myodes glareolus. Zunächst nimmt man meist nur eine schnelle Bewegung aus den Augenwinkeln wahr oder hört ein Rascheln im trockenen Laub des Vorjahres. Bleibt man nun ruhig stehen und schärft den Blick, entdeckt man häufig, dass man meist längst selber beobachtet wird: Aus einem Mauseloch am Fuß einer Buche oder aus der Bodenvegetation beobachten einen zwei dunkle Augen. Meist aber nicht lange, nach kurzer Gefahrenabwägung setzt sich das hektische Mäuschen wieder in Bewegung. Nicht zu verwechseln ist die Rötelmaus mit der Gelbhalsmaus Apodemus flavicollis – die trifft man gerne bei der Reinigung von Nistkästen oder besonders in den Wintermonaten beim Rumtoben auf dem Dachboden.
Die beiden häufigen besonders in Wäldern zu beobachtenden Mäusearten lassen sich ganz gut im Gelände voneinander unterscheiden. Der Name der Rötelmaus geht auf die rotbraune Rückenfellfärbung der
relativ kleinen, nur bis zu 15 cm langen Tiere (incl. Schwanz) zurück. Dabei wiegen die Tiere auch nur 12-35 Gramm. Der Schwanz ist relativ kurz, d.h. kürzer als der Rumpf, bei Gelbhalsmäusen und
auch der noch in Frage kommenden Waldmaus ist dies umgekehrt der Fall. Auch wirkt der Körper der Rötelmaus zudem eher rundlich-gedrungen, bei den anderen beiden Arten eher schlank. Die Rötelmaus
ist eine Vertreterin der Wühlmäuse (wie Erd- und Feldmaus).
Das Fell der größeren und schwereren Gelbhalsmaus ist oberseits warm rot- oder gelbbraun. Die Ohren sind mittelgroß, die Augen groß und hervorstehend. Die Unterseite ist fast rein weiß, die
Abgrenzung zur Oberseitenfärbung ist sehr deutlich. Eine Brustzeichnung ist meist als durchgehendes gelblichbraunes Halsband ausgebildet. Die Gelbhalsmaus gehört zu den Echten Mäusen (wie z.B.
Wald- und Hausmaus oder die beiden Ratten-Arten), sie wird sogar gelegentlich mit einer kleinen Ratte verwechselt.
Vielseitige Speisepläne
Rötelmäuse nehmen vielseitige Nahrung zu sich, sie fressen, typisch Wühlmaus, praktisch ausschließlich Pflanzenbestandteile. Im Frühjahr werden Gräser, Kräuter und Keimlinge gefressen, im
Frühjahr und Herbst kommen Knospen, Samen, Früchte, Moose und Pilze dazu. Eicheln, Bucheckern und andere Samen werden als Wintervorrat eingelagert, dann wird auch gerne Baumrinde gefressen. Sie
nagt auch gerne unterirdisch z.B. die Wurzeln junger Bäume ab, so dass nicht selten frisch gepflanzte Junggehölze absterben. Ihr Vorkommen stößt daher nicht bei allen Waldbesitzern und Förstern
auf Begeisterung. Die negativen Auswirkungen der Rötelmaus in einem gesunden Wald sind jedoch eher gering, nennenswerte Probleme erst bei massenhaftem Auftreten zu verzeichnen. Vor allem auch
wegen der Vielzahl natürlicher Feinde regulieren sich selbst große Vorkommen der Rötelmaus allerdings meist verhältnismäßig schnell.
Wattenmeer bei Paesens (Niederlande), Foto: Frank Derer
Neumünster, Husum, 3. Juni 2019: Die im schleswig-holsteinischen Wattenmeer vertretenen Umweltverbände NABU, Schutzstation Wattenmeer, Verein Jordsand und Bündnis Naturschutz in
Dithmarschen haben sich vergangene Woche mit einem Brief an das Welterbe-Komitee der UNESCO in Paris gewandt. Darin drücken sie ihre großen Sorge um die drohende Gefährdung der
‚außergewöhnlichen, universellen Werte’ des Weltnaturerbes Wattenmeer durch die neunte Elbvertiefung aus. Sie sehen im Errichten einer Unterwasserablagerungsstätte (UWA) in der Medemrinne die
Gefahr, dass die Watten im südlichen schleswig-holsteinischen Wattenmeer in ihrer bedeutenden Funktion als Nahrungsgebiete für Brut- und Zugvögel direkt, folgenschwer und langfristig geschädigt
werden.
Die Medemrinne, ein bis zu 10 m tiefer Wattstrom der Elbe, bildet die südliche Grenze des Nationalparks und UNESCO-Welterbegebiets Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer. Sie wird zurzeit durch ein
starres, aufgeschüttetes Unterwasserbauwerk großteils verschlossen, in das im weiteren Verlauf der Vertiefung die ausgebaggerten Sedimente eingelagert werden. Die Planungsunterlagen zeigen, dass
das Bauwerk die Tidenströmungen im UNESCO-Weltnaturerbe verändern werden. Trotz der erkennbaren Gefährdung hat es keine Umweltverträglichkeitsprüfung zur Auswirkung auf die Schutzgüter des
Weltnaturerbes Wattenmeer gegeben. Dessen ungeachtet haben die Behörden – ohne das UNESCO-Welterbe-Komitee über den Eingriff vorab zu informieren - mit ihrem Planfeststellungsbeschluss ihre
Zustimmung zum Bau gegeben.
Die an die Medemrinne angrenzenden Watten bieten essentielle und unersetzbare Nahrungsgebiete für (i) eine der größten Flussseeschwalbenkolonien im Wattenmeer, (ii) mehr als 50 % der
nordwesteuropäischen Brandganspopulation während der Mauser, (iii) der nahezu gesamten Afro-Sibirischen Knutt-Population und (iv) einigen anderen rastenden Watvogelarten. Die Auswirkungen
bedrohen das Fortbestehen dieser Nahrungsgebiete, in dem sie erheblich in die geologischen, ökologischen und biologischen Prozesse eingreifen, und dadurch die Artenvielfalt des Wattenmeers, die
eine der größten weltweit ist, bedroht.
Die Bundesrepublik Deutschland ist mit der Ernennung des Wattenmeers zum Weltnaturerbe die Verpflichtung gegenüber der UNESCO eingegangen, das Wattenmeer nach bestem Wissen und Gewissen gegenüber
anthropogenen Schädigungen zu schützen. Die Umweltverbände bitten nun die UNESCO um Unterstützung, indem sie ihrerseits bei den Planungsbehörden Hamburgs und des Bundes Antworten dazu erbitten:
Aufgrund wissenschaftlicher Erkenntnisse und Expertise befürchten die Umweltverbände, dass mit der Errichtung der UWA Medemrinne genau die außergewöhnlichen universellen Werte, für die das Wattenmeer ausgezeichnet wurde, in Gefahr sind. Sie sind in großer Sorge darüber, dass die Behörden durch ihre inadäquate Bewertung möglicher Auswirkungen einen enormen Umweltschaden im Weltnaturerbe Wattenmeer riskieren. Daher bitten die Umweltverbände die UNESCO, den zukünftigen Weltnaturerbe-Status des schleswig-holsteinischen Wattenmeers zu überprüfen. In Deutschland wurde schon einmal der Welterbetitel aberkannt: Das Dresdner Elbtal verlor 2008 nach dem Bau der Waldschlösschenbrücke den Welterbe-Status, als auch hier Infrastruktur-Projekten der Vorrang vor dem Schutz der außergewöhnlich wertvollen Schutzgütern gegeben wurde.
Lachseeschwalben: In Europa existieren nur noch sehr wenige Brutplätze. Eine Kolonie nistet an der Unterelbe. - Foto: Gerd-Michael Heinze
Seit 2006 läuft das Verfahren auf Planfeststellung der Fahrrinnenvertiefung von Unter- und Außenelbe für Containerschiffe mit Tiefgängen bis zu 14,50 m. Nach zwei mündlichen Verhandlungen hat das Bundesverwaltungsgericht mit seinem Urteil vom 09. Februar 2017 die Planfeststellungsbeschlüsse weiterhin grundsätzlich als rechtswidrig und nicht vollziehbar bezeichnet. Neben verbesserten Schutzmaßnahmen für den vom Aussterben bedrohten Schierlings-Wasserfenchel müssen die Planungsbehörden unter anderem auch Verbesserungen in der Kohärenzsicherung (Ausgleichsmaßnahmen) erarbeiten.
Rechtlich nicht beanstandet hat das BVerwG dagegen die Prognosen der Bundesanstalt für Wasserbau (BAW) zu den hydro-morphodynamischen Auswirkungen einer erneuten Fahrrinnenvertiefung. Aus
naturschutzfachlicher Sicht überwiegen jedoch nach wie vor Zweifel daran, ob aufgrund der Modellierungen der BAW die ökologischen Auswirkungen richtig eingeschätzt werden können. Welche
Erkenntnisse diese Zweifel nähren wird im folgenden dargestellt.
Das Strombau- und Verbringungskonzept
Frühere Fahrrinnenvertiefungen haben die Elbe im Laufe der Jahrzehnte stark beeinflusst. So hat sich in der Folge in St. Pauli der Tidenhub seit Ende des 19. Jahrhunderts um etwa 1,5 m auf
heutzutage rund 3,6 m erhöht. Wird der Tidenhub höher, bedeutet dies vor allem, dass der Flutstrom stärker wird, und vermehrt Sedimente aus der Nordsee elbaufwärts befördert werden - ein
Phänomen, das unter dem Begriff 'tidal pumping' bekannt ist, und das in der Elbe für die stark angestiegene Baggernotwenigkeit verantwortlich ist. Eine weitere Vertiefung der Elbe würde den
Tidenhub in St. Pauli weiter erhöhen und das 'tidal pumping' weiter verstärken. Durch den Klimawandel begünstigte Faktoren wie Meeresspiegelanstieg und geringere Sommerniederschläge im
Einzugsbereich der Oberläufe der Elbe tragen ebenfalls dazu bei, dass die Sedimentablagerungen nicht durch die alleinige Kraft des ins Meer fließenden Flusses abgetragen werden.
Ausschnitt Projektüberblick „Planänderung im Überblick“ (Projektbüro Fahrrinnenanpassung, Planungsstand 2008, http://www.fahrrinnenausbau.de/index.php) - Grafik: UWA
Um die Gefahr drohender Überflutungen der niedriger gelegenen Stadtteile Hamburgs und die Notwendigkeit der Baggeraktivitäten zu mindern haben die Planungsbehörden ein Strombau- und Verbringungskonzept entwickelt, in dessen Rahmen im Mündungstrichter Strombauwerke geplant sind, welche zum Ziel haben, die Tidewasserströme zu beeinflussen. Eine zentrale Bedeutung kommt hier der Unterwasserablagerungsfläche (UWA) in der Medemrinne zu. Die Medemrinne ist ein bedeutender 'Nebenarm' des Hauptfahrwassers der Elbe an der Grenze zum UNESCO-Welterbegebiet und Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer.
Nationalpark und UNESCO Welterbegebiet Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer
"Natur Natur sein lassen" ist das Ziel aller Nationalparke, das gilt auch für den Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer. Die einzigartige Naturlandschaft des Wattenmeeres soll in ihrer
Gesamtheit (Wattflächen, Priels, Dünen und Salzwiesen) erhalten werden.
Seit 1985 Nationalpark und seit 2009 UNESCO Weltnaturerbegebiet erfährt das Wattenmeer die höchsten und bekanntesten Schutzkategorien der Welt. Es ist zudem ausgewiesen als 'Besonders
empfindliches Meeresgebiet' der Internationalen Schifffahrtsorganisation IMO (PSSA), Vogelschutz- und Flora-Fauna-Habitat-Gebiet der EU und Feuchtgebiet internationaler Bedeutung nach der
Ramsar-Konvention.
In ihrer Stellungnahme im Rahmen der Beteiligung der Träger Öffentlicher Belange zum Planfeststellungsverfahren befürchtet die Nationalparkverwaltung aus Tönning, dass der Bau der UWA Medemrinne,
zusammen mit dem Bau der UWA Neufeld, nicht ohne Folgen für die Entwicklung der Watten im südlichen Dithmarschen bleiben wird. Sie sieht die Planung insofern als nicht genehmigungsfähig, als dass
von den Antragsstellern kein hinreichend ausgearbeitetes Konzept bestünde, welches Erosion der Sedimente aus der UWA in die umliegenden Wattflächen verhindern würde. Zudem bestünde keine
Darstellung möglicher Alternativen, die einen geringeren Eingriff in das Ökosystem zur Folge hätten.
Ökologischer Nutzen?
Das Strombaukonzept verfolgt, laut Antragssteller, neben der reinen Verbringung von Baggergut explizit auch ökologische und strombauliche Ziele. Welchen ökologischen Nutzen das Konzept jedoch
haben soll bleibt bis heute ungeklärt. Das Gegenteil sollte der Fall sein.
Im Zuge des Baus der UWA soll also die Medemrinne teilweise verfüllt werden und so die Tideströmung auf das Hauptfahrwasser konzentrieren und die einschwingende Flut dämpfen. Damit soll zum einen
einer weiteren extremen Erhöhung des Tidenhubs entgegengewirkt werden, und zum anderen sollen vermehrt Sedimente mit dem Ebbstrom in die Nordsee getragen werden. Die UWA Medemrinne wird
entsprechend nicht nur lokal sondern über den gesamten Bereich der Tideelbe wirken. Die harmlos klingende Umschreibung einer 'dämpfenden Wirkung auf die einschwingende Flut' bedeutet jedoch auch,
dass es auf der anderen, der seewärts liegenden Seite der UWA zu einer teilweisen Reflexion der Tidewelle kommt, die in diesem Bereich eine bislang nicht quantifizierte Verstärkung der
Tidendynamik hervorrufen wird.
Gleichzeitig werden sich die benachbarten Wattflächen und Prielsystem der Medemrinne verändern. Auch wenn das Bauwerk selbst nach Angaben der Planungsbehörde 'lagestabil' sein soll, die Sedimente
rundum sind es nicht, und nach der Formel 'das Wasser sucht sich seinen Weg' sind großflächige und zumindest für Benthos-, Fisch- und Vogelgemeinschaften weitreichende Veränderungen zu erwarten.
Eine vorsorgliche Planfeststellung kann man das nicht nennen
Natürlich wurden im Rahmen der Planfeststellung die hydro-morphologischen Auswirkungen der UWA Medemrinne durch die BAW modelliert. Diesen Modellierungen zugrunde liegen Hochwasserstände für die
Periode eines 2-wöchigen Nipp-Spring-Tiden-Zyklus im Mai 2002, genauer 11. - 25. Mai 2002.
Als erstes fällt ins Auge, dass mit dem Monat Mai ein vergleichsweise 'ruhige' Jahreszeit gewählt wurde. Hier wurden jeweils die maximalen Hochwasserstände pro Monat und Jahr aus den Jahren
2000-2015 für den Pegel Steubenhöft (Cuxhaven) aus unmittelbarer Nähe der Medemrinne gezeichnet. Das Jahr 2002, aus welchem der Mai-Wert in die BAW-Modellierungen einfloss, ist rot
unterlegt.
Die gewählten Hochwasserstände scheinen auch nicht repräsentativ für ein "typisches Frühjahr" zu sein. Vergleicht man nämlich Hochwasserstände aus dem 'ganzen' Frühjahr (Mai bis Juli) aus
mehreren Jahren (2000 - 2016), ebenfalls für den Pegel Steubenhöft, mit Hochwasserständen aus der BAW-Modellierungsperiode wird deutlich, dass im BAW-Modell lediglich vergleichsweise niedrige
Hochwasserstände einbezogen wurden.
Angesichts der potentiell langfristigen und großflächigen Auswirkungen dieser Baumaßnahmen auf die umliegenden Wattflächen des Nationalparks Wattenmeer scheint dieser 2-Wochen Zeitraum zu kurz
und als nicht repräsentativ gewählt. Dass die BAW auf Grundlage dieser Modellierung zu dem Schluss kommt, dass die UWA keine Auswirkungen auf die umliegenden Wattflächen haben wird, ist vor dem
Hintergrund der den Modellierungen zugrundeliegenden Hoch-wasserstände eventuell sogar nachvollziehbar. Allerdings soll die UWA ja ausdrücklich in das Tidegeschehen und die Sedimentation im
Umfeld der Medemrinne eingreifen, und somit ist wiederum auch eine Veränderung in den umliegenden Watten zu erwarten.
Vergleich der Frequenz von Hochwasserständen aus dem 'ganzen' Frühjahr (Mai bis Juli, Jahre 2000 - 2016, unten) mit Hochwasserständen aus der BAW-Modellierungsperiode (oben): Im BAW-Modell wurden nur niedrige Hochwasserstände einbezogen. - Grafik: BAW
In diesem Zusammenhang sollte entsprechend darauf hingewiesen werden, dass 2014, und damit nach der Fertigstellung der Antragsunterlagen, der aktuelle Bericht des IPCC (Intergovernmental Panel on
Climate Change) erschienen ist, in dem sämtliche frühere Aussagen zum Themenkomplex klimabedingter Meeresspiegelanstieg geprüft und neue, geänderte Prognosen veröffentlicht wurden. Die
Fortschritte in der Wissenschaft, Prognosen zum Meeresspiegelanstieg sowohl zeitlich als auch räumlich stets präziser vorherzusagen, sind rasant. Die Aussagekraft von Modellen mit Annahmen aus
den Jahren 2002/2003 scheinen dadurch mittlerweile sehr geschwächt zu sein. Der Einfluss der Bauwerke des Strombaukonzepts im Allgemeinen und der UWA Medemrinne im Speziellen auf das
Tidengeschehen entlang der Elbe wird sich über Jahrzehnte wenn nicht Jahrhunderte bemerkbar machen. Bei einer solch zeitlichen Dimension sollte im Sinne der Vorsorge und der Nachhaltigkeit eine
erneute Überprüfung der Ergebnisse der BAW-Modellierungen mit wissenschaftlich aktuellen Erkenntnissen geboten sein.
Das Wasser sucht sich seinen Weg
Eine von der Aktionsgemeinschaft Lebendige Tidelbe (eine Kooperation von WWF, BUND und NABU) in Auftrag gegebene alternative Modellierung der potentiellen hydromorphologischen Auswirkungen der
UWA Medemrinne kam entsprechend auch zu einer anderen Prognose. Diese alternative Modellierung zeigte, dass die Wirkungsweise der UWA Medemrinne nach fünf Jahren dazu führt, dass sich
Erosionsrinnen links und rechts der UWA bilden, die sehr wahrscheinlich die Effizienz der UWA signifikant dämpfen, zumal parallel dazu auch auf dem angrenzenden Medemsand durch Erosion ein
erhöhter Durchfluss des Tidenstroms ermöglicht wird. Für die Wattflächen vor der Dithmarscher Küste prognostizieren diese Simulationen großflächige Sedimentumlagerungen und ein weitreichendes
Umbilden der existierenden Priele. Natürliche Dynamiken sind im Rahmen des Schutzkonzepts 'Nationalpark' ausdrücklich erwünscht. Als Folge natürlicher Prozesse haben sich die Priele im Laufe der
Jahrzehnte auch ständig verändert. Diese Verlagerungen jedoch wären eindeutig auf menschliche Eingriffe zurückzuführen und sind in einem Nationalpark und UNESCO-Welterbegebiet nicht zu
tolerieren.
Fatale Fehleinschätzung in den Planfeststellungsunterlagen
In den Planfeststellungsunterlagen zum Themenkomplex "Schutzgut Tiere und Pflanzen, terrestrisch" steht auf Seite 114: "Auswirkungen der Unterwasserablagerungsflächen Medemrinne-Ost und Neufelder
Sand [...] auf Brutvögel sind nicht zu erwarten, da der Bereich [...] weder Brutvogelbiotop ist bzw. wird, noch als Nahrungsfläche für Brutvögel aus umgebenden, terrestrischen Bereichen
fungiert."
Tatsächlich aber ist seit vielen Jahren bekannt, dass die Watten, genauer das Prielsystem in direkter Nachbarschaft der Medemrinne das Hauptjagdgebiet der in unmittelbarer Nähe, im Vorland des
Neufelder Koogs, brütenden Flußseeschwalben darstellt. Die obige Aussage jedoch, die im weiteren Dokument nicht näher begründet wird, führte dazu, dass potentielle Auswirkungen auf die
Brutvogelwelt im südlichen Dithmarscher Watt gar nicht erst untersucht wurden und somit über ökologischen Nutzen oder gar negative Auswirkungen der UWA Medemrinne von Seiten der Planungsbehörden
keinerlei Aussagen gemacht werden können.
Inmitten der Kolonie der Flußseeschwalben brütet eine der seltensten Vogelarten Deutschlands, die hier vom Aussterben bedrohte Lachseeschwalbe. Seit einigen Jahren befindet sich im Vorland des
Neufelder Koogs der einzige regelmäßig genutzte Brutort Mitteleuropas. Durch die Hilfe eines intensiven Artenschutzprojektes des Landes Schleswig-Holsteins kann die Lachseeschwalben-Kolonie sogar
erfolgreich brüten. Der Erhalt und Fortbestand der Lachseeschwalben-Kolonie ist jedoch direkt abhängig vom Erhalt und Fortbestand der Neufelder Flußseeschwalben-Kolonie. Lachsseeschwalben sind
bei der Wahl des Brutplatzes auf sogenannte gastgebende Arten angewiesen, von der sie im Rahmen der Feindabwehr profitiert . Diese Rolle übernimmt im Neufelder Vorland die Flußseeschwalbe, und
wenn die Flußseeschwalben-Kolonie aufgrund von Veränderungen hervorgerufen durch die UWA Medemrinne verschwindet, dann wird mit ihr auch die Lachseeschwalbe verschwinden.
Die Flußseeschwalben-Kolonie im Neufelder Vorland - abhängig vom Elb-Stint
Im Vorland des Neufelder Koogs befindet sich mit über 2 000 Brutpaaren die größte Flußseeschwalben-Kolonie des Wattenmeers. Sie beheimatet ein Viertel des deutschen Brutbestands und ist eine der
größten Kolonien Mitteleuropas . Im Auftrag der Nationalparkverwaltung Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer, einem Geschäftsbereich des Landesbetriebs für Küstenschutz, Nationalpark und
Meeresschutz (LKN-SH) wird im Rahmen des Trilateral Monitoring and Assessment Programms TMAP der Trilateralen Wattenmeerkooperation dort jährlich der Bruterfolg erfasst. Die Ergebnisse des
Monitoringprogramms sprechen eine deutliche Sprache. Während in allen Wattenmeerregionen von den Niederlanden bis Dänemark die Flußseeschwalben seit den frühen 1990igern leicht bis mäßig
zurückgegangen sind, zeigen alleinig die Kolonien in Schleswig-Holstein stabile Bestände, nicht zuletzt durch den beständig hohen Bruterfolg der Neufelder Kolonie.
Die Neufelder Flußseeschwalben ernähren sich fast ausschließlich von Stinten. Sie profitieren davon, dass sich in den Prielsystemen in unmittelbarer Nachbarschaft zur Medemrinne wohl eine der
wichtigsten Kinderstuben der Elbstinte befindet. Stinte ziehen im zeitigen Frühjahr flussaufwärts und laichen in beruhigten, flachen Süßwasserbereichen der Elbe und ihrer Seitenarme.
Monitoringprojekte der Universität Hamburg lassen vermuten, dass in den verschiedenen Laichgebiete unterschiedliche Ablaich- und Schlupfzeiten der Stinte existieren, deren Jungfisch-Kohorten mit
zeitlicher Verzögerung in das Neufelder Wattsystem einziehen. Für die Flußseeschwalben bedeutet dies, dass sie über einen Zeitraum von 3 - 4 Monaten immer Stinte der geeigneten Größenklassen zur
Verfügung haben3.
Die Nahrungsvorkommen sind für die Neufelder Flußseeschwalben langfristig vorhersagbar und ermöglichen es ihnen regelmäßig zwei wenn nicht gar drei Nachgelege zu beginnen und erfolgreich Junge
hochzuziehen, wenn frühere Gelege durch Prädation oder Überflutung verloren gegangen sind.
Ob und wie die UWA Medemrinne die Stinte am Einwandern in die Prielsysteme vor dem Neufelder Koog gehindert werden ist bislang nicht untersucht worden. Die Planer behaupteten fälschlicherweise,
dass dieses Gebiet für Brutvögel nicht relevant wäre. Das BVerwG hat wissenschaftliche Publikationen der Hamburger Wissenschaftler und Gegengutachten der Naturschutzverbände zu diesem Aspekt
bislang ignoriert. Aktuell steht die schriftliche Begründung des Urteils vom noch 09. Februar 2017 aus.
Die Veränderungen im Tidenhub und damit einhergehenden Veränderungen in der Fließgeschwindigkeit im Bereich der UWA Medemrinne lässt befürchten, dass die jungen Stinte auf Schwierigkeiten treffen werden, wenn sie in die Prielsysteme, ihre Kinderstube, vor der Neufelder Küste wandern. Großräumige Erosions und Aufsedimentationsprozesse im Neufelder Watt lassen befürchten, dass sich das dort vorhandene Prielsystem durch Menschenhand grundsätzlich verändern wird und es ist fraglich, inwieweit sich dies nicht negativ auf die dortigen Stint-Bestände auswirken wird.
Das "Ergänzende fischereiwirtschftliche Gutachten" aus dem Jahr 2011 kommt zu dem Schluss, dass im Fanggebiet Medemrinne deutlich veränderte hydromorphologische Bedingungen die Fangbedingungen
beeinflussen wird. Das Gutachten prognostiziert sogar, dass die Stintfischerei dort für die gesamte Bauzeit der UWA Medemrinne ausfallen wird, da die Stinte durch den Bau vergrämt werden.
Weiterhin wird prognostiziert, dass auch die Verteilung der Garnelen (Krabbenfischerei) durch veränderte Strömungsregime dort negativ beeinflusst werden.
Die Hamburger Wissenschaftler haben dokumentiert, dass Garnelen die Hauptnahrung der jungen Stinte im Neufelder Watt darstellen. Sollte diese essentielle Nahrungsquelle der Stinte also durch den
Bau und die Wirkweise der UWA wegfallen, können die jungen Stinte dort nicht mehr existieren.
Wird also den Stinten der Weg in das Prielsystem vor der Neufelder Koog Flußseeschwalbenkolonie "versperrt" - und sei es "nur" für die Dauer der Bauzeit von mindestens zwei Jahren - oder aber
ihre Lebensgrundlage, die Garnelen, entzogen, fallen sie als Beute für die Flußseeschwalben weg. Die hätte signifikante Bestandseinbrüche bei der größten Kolonie des Wattenmeers zur Folge. Und ob
sie dann noch eine geeignete Nachbarschaft für die vom Aussterben bedrohte Lachseeschwalbe sein kann ist fraglich.
Die Bedeutung des Dithmarschers Watts für Brandgänse
Ähnlich wie andere Wasservögel erneuern Brandgänse im Spätsommer ihre Schwung- und Steuerfedern und sind in dieser Zeit vorübergehend flugunfähig. Die europäischen Brandgänse versammeln sich in
diesem Zeitraum an nur wenigen Mauserplätzen in Deutschland, den Niederlanden und in Großbritannien. Der Elbmündungsbereich stellt dabei das zentrale Mausergebiet für die nordwesteuropäischen
Brandgänse mit Maximalbeständen von bis zu 219.000 Individuen um das Jahr 2000 und dar. Dies entsprach mehr als 50 % des globalen (Altvogel-)Bestandes und nahezu der gesamten mitteleuropäischen
Population. Seit einigen Jahren ist zu beobachten, dass zeitgleich die Bestände vor der Dithmarscher Küste abnehmen und vor der niederländischen Wattenmeerküste zunehmen. Ob es sich hier um eine
Umverlagerung handelt ist nicht untersucht, jedoch ist es nicht unwahrscheinlich. Warum die Brandgänse an die niederländische Küste abwandern, ist nicht bekannt. Sehr wahrscheinlich liegen die
Gründe in der Verfügbarkeit geeigneter Nahrung und in der Abwesenheit von Störungen.
Das Dithmarscher Watt in Nachbarschaft der Medemrinne ist seit dem 19. Jahrhundert als traditioneller und wichtiger Mauserplatz bekannt. Nach wie vor wird hier mit rund 152.000 Individuen mehr
als die Hälfte der nordwest-europäischen Brandganspopulation registriert. Die niederländischen Mausergebiete beherbergen mit rund 42.000 Individuen sehr viel weniger Brandgänse - und weitere
herausragende europäische Mausergebiete sind nicht bekannt.
Der im Rahmen der Elbvertiefung geplante Bau der UWA Medemrinne hat Potential, dass das traditionelle Mausergebiet im Dithmarscher Watt bald nicht mehr genutzt werden kann. Auch wenn durch eine
Anpassung der Bauzeit ein gewisses Maß an Störung vermieden werden könnte, so werden doch durch die Funktionsweise der UWA gravierende Veränderungen im Sedimentregime des Dithmarscher Watts
erwartet, die sich negativ auf die Nahrungsgrundlage der Brandgänse auswirken werden. Brandgänse im Dithmarscher Watt scheinen unter anderem Schlickkrebse zu fressen. Schlickkrebse sind, wie der
Name schon sagt, auf vergleichsweise schlickige Sedimente angewiesen, und sie sind in unmittelbarer Nähe der Medemrinne in unglaublichen Mengen zu finden. Schlickkrebse werden auch von Garnelen
gefressen, die wiederum die Hauptbeute der Stinte darstellen.
Die Bedeutung des Dithmarscher Watts für Knutts
Das Dithmarscher Watt ist der einzige Ort im Wattenmeer, an dem sich die afro-sibirische Population des Knutts auf ihrem Zug von den westafrikanischen Überwinterungs- in die arktischen
Brutgebieten die benötigten Energiereserven anlegen können.
Der Wegfall der alternativlosen Beute, der Roten Bohne, einer vergleichsweise dünnschaligen Muschel, hätte das Aussterben einer von weltweit sechs vorkommenden Unterarten des Knutts zur Folge,
einer Watvogelart, die weltweit als potenziell gefährdet (NT Near Threatened). Die Nahrungshabitate, in denen die afro-sibirischen Knutts innerhalb von drei Wochen die benötigten Energiereserven
für den Zug in die Brutgebiete erwerben, liegen in unmittelbarer Nähe der Medemrinne und ihren geplanten UWS und Umlagerungsstellen.
Ley, 19. Mai 2017
Die GroKo-Verhandler haben sich geeinigt - Foto: Helge May
7. Februar 2018 - Union und SPD haben den alarmierenden Zustand unserer Natur nun offensichtlich erkannt. Die versprochenen Schutzmaßnahmen geben Anlass zur Hoffnung. Was allerdings fehlt,
ist ein übergeordneter Plan, der Klima, Infrastruktur und den Erhalt unserer Lebensgrundlagen zusammen denkt. Mit neuen Rekordinvestitionen in Verkehrsprojekte werden weitere Lebensräume
zerschnitten und die stiefmütterliche Behandlung des Klimaschutzes wird unsere Ökosysteme stark unter Druck setzen.
Die GroKo nennt erstmals den Schutz von Wildnis und Insekten als politische Ziele und verspricht umfassende Programme zu ihrem Schutz. Außerdem begrüßt der NABU, dass die Große Koalition – neben
dem neuen Wildnisfonds – das Nationale Naturerbe um 30.000 Hektar ausweiten möchte. Außerdem sollen mehr Flüsse renaturiert und erstmals auch eine Strategie zum Schutz der Moore entwickelt
werden. Zudem soll der Erhalt der biologischen Vielfalt zur Querschnittsaufgabe aller Politikfelder werden.
Als ermutigendes Zeichen wertet der NABU, dass die Große Koalition erste zaghafte Schritte in Richtung einer naturverträglicheren Landwirtschaft unternimmt. So wollen sich Union und SPD für eine
Umschichtung der milliardenschweren EU-Agrarsubventionen und die Einrichtung eines neuen EU-Naturschutzfonds einsetzen. Ob die Bundesregierung Wort hält, muss sie in den kommenden Wochen noch in
Brüssel beweisen. Denn bereits beim EU-Haushaltsgipfel am 23. Februar sollte Bundeskanzlerin Merkel den Naturschutzfonds fordern.
Auch das neue Programm zur Rettung der Insekten begrüßt der NABU sowie das Bekenntnis zum Ausstieg aus Glyphosat. Der Glyphosat-Ausstieg droht allerdings auf die lange Bank geschoben zu werden,
weil ein konkretes Datum fehlt. Zudem vermisst der NABU eine Strategie zur Verringerung aller Pestizide. Pestizide sollen künftig sogar noch schneller zugelassen werden – ohne ihre Auswirkungen
auf die Artenvielfalt ausreichend zu prüfen.
Große Versäumnisse sieht der NABU in der Energie- und Klimapolitik sowie im Verkehrsbereich. Es spricht Bände, dass die GroKo die Klimaziele bis 2020 nur „so schnell wie möglich“ erreichen will. Mit einer neu einzuberufenden Kommission erkauft sie sich Zeit, die nicht da ist. Dabei liegen alle notwendigen Schritte längst auf dem Tisch. Positiv ist aber, dass bis 2030 eigene Klimaziele für alle Bereiche kommen. Doch dieses Bekenntnis ist pure Augenwischerei, wenn Union und SPD die Energieeffizienzstandards für Neubauten einfrieren. Der Ausbau der erneuerbaren Energien muss weiterhin zwingend naturverträglich gestaltet werden.
In der Verkehrspolitik halten Union und SPD unverändert stur am Status Quo fest und zeigen sich erschreckend mutlos. Besonders kritisch bewertet der NABU die Beibehaltung umweltschädlicher
Subventionen für Diesel sowie das Fehlen strengerer CO2-Grenzwerte für Pkw und Lkw. Den Plan der künftigen Regierung, die Beteiligung der Bürger bei Infrastruktur-Projekten zu beschränken, lehnt
der NABU als indiskutabel ab.
Alarmierend ist auch das Fehlen einer Strategie zur nachhaltigeren Nutzung von Ressourcen. So werden Digitalisierung und Energiewende die Nachfrage nach Rohstoffen weiter intensivieren,
gleichzeitig muss ihr Pro-Kopf-Verbrauch deutlich sinken. Zur Lösung dieses Konflikts bieten Union und SPD keinerlei schlüssige Konzepte an – genauso wenig wie für eine ökologische
Beschaffungsrichtlinie in Ministerien und Behörden.
Union und SPD wollen die Wolfspopulation beschränken, dies kritisiert der NABU scharf. Mit dieser unsäglichen Forderung lässt die Bundesregierung Landwirte und Schäfer im Stich. Unlängst erst hatte Landwirtschaftsminister Schmidt eine klare Abfuhr erhalten, als er versuchte den Schutzstatus des Wolfes aufzuweichen. Statt auf solch sinnlose und populistische Forderungen wie die Reduzierung von Wölfen zu setzen, hätte die Bundesregierung den Weidetierhaltern endlich beim Herdenschutz helfen müssen. Das haben das Bundeslandwirtschaftsministerium und Herr Schmidt jahrelang verschlafen.
Wenig ambitioniert lesen sich die Pläne auch für den Meeresschutz. Zwar möchte man der übermäßigen Nutzung der Meere entgegenwirken und sich gegen die Vermüllung sowie für Schutzgebiete in Arktis
und Antarktis einsetzen – wie bleibt aber offen. In der Formulierung für die Nord- und Ostsee wird offensichtlich, wie wenig sich die GroKo-Verhandler mit dem Schutz der marinen Vielfalt
auseinandergesetzt haben. Hier wurde in letzter Sekunde das Management der Schutzgebiete auf die Freizeitfischerei beschränkt. Der Bezug zu den aktuell verhandelten Managementplänen für die
Nordseeschutzgebiete fehlt hier gänzlich. In einem Nebensatz wird die Förderung von ökosystemgerechten Fischereimethoden aufgegriffen. Ein Lichtblick, denn weder die heute eingesetzten Stell-
noch die Grundschleppnetze sind mit den Zielen von Meeresschutzgebieten vereinbar. Nun ist es an der Bundesregierung, den Meeresschutz vor der eigenen Küste ernst zu nehmen und dafür auch die
notwendigen Kapazitäten zur Verfügung zu stellen.
Zu denken gibt auch, dass Union und SPD die globalen nachhaltigen Entwicklungsziele der UN zunächst nicht berücksichtigt hatten. Dass diese jetzt im Koalitionsvertrag stehen, ist gut. In wieweit
sie aber tatsächlich zur Richtschnur des Regierungshandelns werden, wird der NABU weiterhin genau beobachten.
Gülleausbringung – Foto: Richard Mayer (CC-BY-SA-3.0)
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21. November 2017 - Der größte Posten des EU-Haushalts, die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP), ist hochgradig ineffizient und überwiegend umweltschädlich. Zu diesem Ergebnis kommt
eine am heutigen Dienstag in Brüssel vorgestellte internationale Studie. Darin unterzogen Ökonomen, Soziologen und Ökologen die EU-Agrarpolitik einem„Fitness Check“. Erstmals in der über
50-jährigen Geschichte der GAP liegen damit überhaupt Erkenntnisse zu ihrer Wirtschaftlichkeit, Wirksamkeit und Erfüllung der globalen Nachhaltigkeitsziele vor. Die Agrarpolitik macht derzeit
fast 40 Prozent des EU-Haushalts aus.
Bislang hatten sowohl die EU-Kommission als auch die Mehrheit der Mitgliedstaaten, darunter Deutschland, eine solche Überprüfung stets abgelehnt. Aus diesem Grund gaben der NABU, das Europäische
Umweltbüro (EEB) und BirdLife Europe die Prüfung in Auftrag, eng angelehnt an die offiziellen Kriterien, die sich die EU selbst für „gute Gesetzgebung“ verordnet hat. Über die künftige
Ausrichtung und Finanzierung der EU-Agrarpolitik hatten bis zuletzt auch CDU, CSU, FDP und Grüne in ihren Sondierungen gestritten.
Die Studienautoren untersuchten mehr als 450 wissenschaftliche Veröffentlichungen. Sie kommen zu dem Schluss, dass insbesondere die pauschalen Flächenprämien der sogenannten Ersten Säule die
Einnahmen von Betrieben zwar erhöhen. Doch angesichts der aufgewendeten rund 44 Milliarden Euro jährlich tragen sie eklatant wenig zu einem angemessenen Lebensstandard der Landwirte und dem Abbau
von Ungleichheiten im ländlichen Raum bei. Beides sind jedoch wesentliche Ziele der GAP. Zudem befeuern die Direktzahlungen massiv die Abhängigkeit der Landwirte von Subventionen, beeinflussen
Produktionsentscheidungen und verringern die Effizienz der Betriebe. Generell bemängeln die Autoren fehlende logische Zusammenhänge zwischen Budgetaufteilung, Zielen und Instrumenten.
Noch schlechter fällt das Fazit der Autoren hinsichtlich der Erreichung der Umweltziele aus: Die wirksamsten Instrumente der GAP, die gezielten Agrarumweltmaßnahmen, erhalten nur einen Bruchteil
der Finanzierung, die in das hochbürokratische und ökologisch kaum wirksame „Greening“ fließt. Zudem sei das aktuelle System nicht in der Lage, den Verlust der Artenvielfalt zu stoppen, Gleiches
gelte für die Vermeidung von Umweltschäden wie die zu hohe Nitratbelastung des Grundwassers.
Die Studie „Is the CAP fit for purpose?“ ist eng angelehnt an das Instrument des EU-„Fitness Checks“. Dieses nutzt die EU-Kommission selbst, um ihre Rechtsakte zu durchleuchten. Überprüft wurden die Kriterien Effektivität, Effizienz, Kohärenz, Relevanz und europäischer Mehrwert, jeweils nach sozio-ökonomischen und ökologischen Aspekten. Zusätzlich wurde die mögliche Erfüllung der globalen Nachhaltigkeitsziele (SDG) untersucht.
Wer diese ineffiziente und umweltschädliche Politik als alternativlos verteidigt, betreibt Betrug an Steuerzahlern und Landwirten. Europas Bürger sind immer weniger dazu bereit, Milliarden an Steuergeldern in eine immer intensivere Landwirtschaft zu stecken und am Ende nochmals zur Kasse gebeten zu werden für die Umweltschäden. Längst ist klar: Die Landwirtschaft muss sich ändern und naturverträglicher werden – die EU muss dazu nun die richtigen Entscheidungen treffen.
Der NABU sieht sich durch die Studie in seiner Forderung nach einer grundlegenden Änderung der EU-Agrarpolitik bestätigt. Da Gelder künftig etwa durch den Brexit knapper werden, fordert der NABU,
das Fördersystem ab 2020 umzubauen. Landwirte muss es in die Lage versetzen, umweltfreundlicher zu produzieren und zugleich höhere Einkommen zu erzielen. Dazu müssen die Pauschalsubventionen mit
dem Gießkannenprinzip ersetzt werden durch Investitionen in bessere Tierhaltung und Ackerbau. Ein neuer EU-Naturschutzfonds in Höhe von jährlich 15 Milliarden Euro könnte Landwirten zudem ein
attraktives Zusatzeinkommen für Naturschutzleistungen bieten – als Gesellschaftsvertrag mit dem Steuerzahler.
Die Studie erscheint rund eine Woche bevor EU-Agrarkommissar Phil Hogan seine Pläne für die künftige EU-Agrarpolitik vorstellen will. Allem Anschein nach will er auch nach 2020 an den
ineffizienten pauschalen Direktzahlungen festhalten – und das, obwohl sich Anfang 2017 in einer EU-Konsultation 80 Prozent der teilnehmenden EU-Bürger für eine grundlegende Reform ausgesprochen
hatten. Sollte Hogan bei seinem Kurs bleiben, drohen bis Ende des nächstens Jahrzehnts weitere Ineffizienz und ökologische Schäden.
Sebastian Lakner, Autor der Studie: „Unsere Literaturstudie zeigt, dass die GAP in ihrer jetzigen Form die selbst gesteckten Ziele nicht erfüllt. Vor allem die Direktzahlungen der Ersten Säule
erzeugen eine Reihe von Problemen und haben 25 Jahre nach der MacSharry-Reform keine sinnvolle Begründung. Die EU sollte sich auf die Frage besinnen, welche Ziele die GAP tatsächlich erfüllen
soll. Meiner Ansicht nach sollten drei wichtige Ziele angegangen werden: Die landwirtschaftliche Produktion muss nachhaltiger werden, der Verlust der Artenvielfalt gestoppt und der Kampf gegen
den Klimawandel auch im Agrarbereich angegangen werden. Dazu sollte die EU-Kommission nun einen ambitionierten Reformvorschlag vorlegen.“
Stare - Foto: NABU/Günter Stoller
13. Oktober 2017 - „Der Star ist bekannt als Allerweltsvogel – den Menschen vertraut und weit verbreitet. Doch seine Präsenz in unserem Alltag täuscht, denn der Starenbestand
nimmt ab. Es fehlt an Lebensräumen mit Brutmöglichkeiten und Nahrung – insbesondere verursacht durch die industrielle Landwirtschaft“, sagt Heinz Kowalski, NABU-Präsidiumsmitglied.
„Eine Million Starenpaare haben wir alleine in Deutschland in nur zwei Jahrzehnten verloren. Jetzt gilt es, den Star durch praktischen Naturschutz und Sicherung des Lebensraums zu unterstützen“,
sagt Dr. Norbert Schäffer, LBV-Vorsitzender.
Sie schwärmen mancherorts zu Hunderttausenden. Dennoch sind sie als gefährdet gelistet. - Foto: Matthias Entelmann/www.naturgucker.de
Der Bestand des Stars in Deutschland schwankt jährlich zwischen 3 und 4,5 Millionen Paaren, je nach Nahrungsangebot und Bruterfolg im Vorjahr. Das sind zehn Prozent des europäischen
Starenbestandes, der bei 23 bis 56 Millionen liegt. Trotzdem ist der schillernde Geselle ein typisches Beispiel für den stillen Rückgang der häufigen Vogelarten, denn sein Bestand nimmt stetig
ab. In der aktuellen deutschlandweiten Roten Liste ist der Star sogar direkt von „ungefährdet“ (RL 2007) auf „gefährdet“ (RL 2015) hochgestuft worden, ohne auf der Vorwarnliste zu stehen.
Die Nahrung des Stars ist abhängig von den Jahreszeiten. Im Frühjahr stehen Kleintiere aus dem Boden auf dem Speiseplan. Im Sommer und Herbst schätzen Stare zusätzlich Früchte und Beeren.
Gründe für seinen Rückgang sind der Verlust und die intensive Nutzung von Weiden, Wiesen und Feldern, auf denen der Star nicht mehr genug Würmer und Insekten zum Fressen findet. Werden Nutztiere
nur im Stall gehalten, fehlt der Mist, der Insekten anlockt. Biozide und Agrochemikalien vernichten zudem weitere Nahrungstiere. Beerentragende Hecken zwischen den Feldern sucht man vielerorts
ebenfalls vergebens. Geeignete Nistplätze fehlen dort, wo alte Bäume mit Bruthöhlen entfernt werden.
Angepasst hat sich der Star an die Stadt: Der urbane Geselle nutzt Nistkästen oder Hohlräume an Dächern und Fassaden zum Nestbau. Parkanlagen, Friedhöfe und Kleingärten liefern ihm Nahrung. Doch
auch dort droht ihm Lebensraumverlust durch Bauvorhaben, Sanierungen oder Verkehrssicherungsmaßnahmen.
Im Herbst sind die imposanten Schwarmwolken aus vielen tausend Staren am Himmel zu sehen. - Foto: Thomas Schwarzbach/www.naturgucker.de
Obwohl als „Allerweltsvogel“ betitelt, ist der Vogel des Jahres 2018 doch eher der „Star“ unter den Vögeln. Bewundert werden seine Schwarmflüge im Herbst, die als einzigartiges Naturschauspiel
gelten. Im Frühjahr sticht das Starenmännchen durch sein metallisch glänzendes Gefieder heraus. Helle Punkte verzieren vor allem das Prachtkleid des Weibchens. Im Spätsommer nach der Mauser enden
die dunkelbraunen Federn der Jungtiere in einer weißen Spitze, einem Perlmuster ähnlich. Zum Gesamtpaket dazu kommt sein Talent der Imitation: Der Star kann andere Vögel und Umgebungsgeräusche
perfekt nachahmen und in seinen Gesang einbauen. Zu hören sind dann auch Handyklingeltöne, Hundebellen oder Alarmanlagen.
Abhängig von seinem Lebensort ist der Jahresvogel Kurzstreckenzieher, Teilzieher oder Standvogel. Mitteleuropäische Stare ziehen zum Großteil bis in den südlichen Mittelmeerraum und nach
Nordafrika. Die maximale Zugstrecke liegt bei 2.000 Kilometern. Manche Stare verzichten vermehrt auf lange Reisen und überwintern vor allem im Südwesten Deutschlands. Im Herbst sind die
imposanten Schwarmwolken aus vielen tausend Staren am Himmel zu sehen, wenn sie während des Zuges an einem Schlafplatz Rast machen.
Lachseeschwalben: In Europa existieren nur noch sehr wenige Brutplätze. Eine Kolonie nistet an der Unterelbe. - Foto: Gerd-Michael Heinze
Seit 2006 läuft das Verfahren auf Planfeststellung der Fahrrinnenvertiefung von Unter- und Außenelbe für Containerschiffe mit Tiefgängen bis zu 14,50 m. Nach zwei mündlichen Verhandlungen hat das Bundesverwaltungsgericht mit seinem Urteil vom 09. Februar 2017 die Planfeststellungsbeschlüsse weiterhin grundsätzlich als rechtswidrig und nicht vollziehbar bezeichnet. Neben verbesserten Schutzmaßnahmen für den vom Aussterben bedrohten Schierlings-Wasserfenchel müssen die Planungsbehörden unter anderem auch Verbesserungen in der Kohärenzsicherung (Ausgleichsmaßnahmen) erarbeiten.
Rechtlich nicht beanstandet hat das BVerwG dagegen die Prognosen der Bundesanstalt für Wasserbau (BAW) zu den hydro-morphodynamischen Auswirkungen einer erneuten Fahrrinnenvertiefung. Aus
naturschutzfachlicher Sicht überwiegen jedoch nach wie vor Zweifel daran, ob aufgrund der Modellierungen der BAW die ökologischen Auswirkungen richtig eingeschätzt werden können. Welche
Erkenntnisse diese Zweifel nähren wird im folgenden dargestellt.
Das Strombau- und Verbringungskonzept
Frühere Fahrrinnenvertiefungen haben die Elbe im Laufe der Jahrzehnte stark beeinflusst. So hat sich in der Folge in St. Pauli der Tidenhub seit Ende des 19. Jahrhunderts um etwa 1,5 m auf
heutzutage rund 3,6 m erhöht. Wird der Tidenhub höher, bedeutet dies vor allem, dass der Flutstrom stärker wird, und vermehrt Sedimente aus der Nordsee elbaufwärts befördert werden - ein
Phänomen, das unter dem Begriff 'tidal pumping' bekannt ist, und das in der Elbe für die stark angestiegene Baggernotwenigkeit verantwortlich ist. Eine weitere Vertiefung der Elbe würde den
Tidenhub in St. Pauli weiter erhöhen und das 'tidal pumping' weiter verstärken. Durch den Klimawandel begünstigte Faktoren wie Meeresspiegelanstieg und geringere Sommerniederschläge im
Einzugsbereich der Oberläufe der Elbe tragen ebenfalls dazu bei, dass die Sedimentablagerungen nicht durch die alleinige Kraft des ins Meer fließenden Flusses abgetragen werden.
Ausschnitt Projektüberblick „Planänderung im Überblick“ (Projektbüro Fahrrinnenanpassung, Planungsstand 2008, http://www.fahrrinnenausbau.de/index.php) - Grafik: UWA
Um die Gefahr drohender Überflutungen der niedriger gelegenen Stadtteile Hamburgs und die Notwendigkeit der Baggeraktivitäten zu mindern haben die Planungsbehörden ein Strombau- und Verbringungskonzept entwickelt, in dessen Rahmen im Mündungstrichter Strombauwerke geplant sind, welche zum Ziel haben, die Tidewasserströme zu beeinflussen. Eine zentrale Bedeutung kommt hier der Unterwasserablagerungsfläche (UWA) in der Medemrinne zu. Die Medemrinne ist ein bedeutender 'Nebenarm' des Hauptfahrwassers der Elbe an der Grenze zum UNESCO-Welterbegebiet und Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer.
Nationalpark und UNESCO Welterbegebiet Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer
"Natur Natur sein lassen" ist das Ziel aller Nationalparke, das gilt auch für den Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer. Die einzigartige Naturlandschaft des Wattenmeeres soll in ihrer
Gesamtheit (Wattflächen, Priels, Dünen und Salzwiesen) erhalten werden.
Seit 1985 Nationalpark und seit 2009 UNESCO Weltnaturerbegebiet erfährt das Wattenmeer die höchsten und bekanntesten Schutzkategorien der Welt. Es ist zudem ausgewiesen als 'Besonders
empfindliches Meeresgebiet' der Internationalen Schifffahrtsorganisation IMO (PSSA), Vogelschutz- und Flora-Fauna-Habitat-Gebiet der EU und Feuchtgebiet internationaler Bedeutung nach der
Ramsar-Konvention.
In ihrer Stellungnahme im Rahmen der Beteiligung der Träger Öffentlicher Belange zum Planfeststellungsverfahren befürchtet die Nationalparkverwaltung aus Tönning, dass der Bau der UWA Medemrinne,
zusammen mit dem Bau der UWA Neufeld, nicht ohne Folgen für die Entwicklung der Watten im südlichen Dithmarschen bleiben wird. Sie sieht die Planung insofern als nicht genehmigungsfähig, als dass
von den Antragsstellern kein hinreichend ausgearbeitetes Konzept bestünde, welches Erosion der Sedimente aus der UWA in die umliegenden Wattflächen verhindern würde. Zudem bestünde keine
Darstellung möglicher Alternativen, die einen geringeren Eingriff in das Ökosystem zur Folge hätten.
Ökologischer Nutzen?
Das Strombaukonzept verfolgt, laut Antragssteller, neben der reinen Verbringung von Baggergut explizit auch ökologische und strombauliche Ziele. Welchen ökologischen Nutzen das Konzept jedoch
haben soll bleibt bis heute ungeklärt. Das Gegenteil sollte der Fall sein.
Im Zuge des Baus der UWA soll also die Medemrinne teilweise verfüllt werden und so die Tideströmung auf das Hauptfahrwasser konzentrieren und die einschwingende Flut dämpfen. Damit soll zum einen
einer weiteren extremen Erhöhung des Tidenhubs entgegengewirkt werden, und zum anderen sollen vermehrt Sedimente mit dem Ebbstrom in die Nordsee getragen werden. Die UWA Medemrinne wird
entsprechend nicht nur lokal sondern über den gesamten Bereich der Tideelbe wirken. Die harmlos klingende Umschreibung einer 'dämpfenden Wirkung auf die einschwingende Flut' bedeutet jedoch auch,
dass es auf der anderen, der seewärts liegenden Seite der UWA zu einer teilweisen Reflexion der Tidewelle kommt, die in diesem Bereich eine bislang nicht quantifizierte Verstärkung der
Tidendynamik hervorrufen wird.
Gleichzeitig werden sich die benachbarten Wattflächen und Prielsystem der Medemrinne verändern. Auch wenn das Bauwerk selbst nach Angaben der Planungsbehörde 'lagestabil' sein soll, die Sedimente
rundum sind es nicht, und nach der Formel 'das Wasser sucht sich seinen Weg' sind großflächige und zumindest für Benthos-, Fisch- und Vogelgemeinschaften weitreichende Veränderungen zu erwarten.
Eine vorsorgliche Planfeststellung kann man das nicht nennen
Natürlich wurden im Rahmen der Planfeststellung die hydro-morphologischen Auswirkungen der UWA Medemrinne durch die BAW modelliert. Diesen Modellierungen zugrunde liegen Hochwasserstände für die
Periode eines 2-wöchigen Nipp-Spring-Tiden-Zyklus im Mai 2002, genauer 11. - 25. Mai 2002.
Als erstes fällt ins Auge, dass mit dem Monat Mai ein vergleichsweise 'ruhige' Jahreszeit gewählt wurde. Hier wurden jeweils die maximalen Hochwasserstände pro Monat und Jahr aus den Jahren
2000-2015 für den Pegel Steubenhöft (Cuxhaven) aus unmittelbarer Nähe der Medemrinne gezeichnet. Das Jahr 2002, aus welchem der Mai-Wert in die BAW-Modellierungen einfloss, ist rot
unterlegt.
Die gewählten Hochwasserstände scheinen auch nicht repräsentativ für ein "typisches Frühjahr" zu sein. Vergleicht man nämlich Hochwasserstände aus dem 'ganzen' Frühjahr (Mai bis Juli) aus
mehreren Jahren (2000 - 2016), ebenfalls für den Pegel Steubenhöft, mit Hochwasserständen aus der BAW-Modellierungsperiode wird deutlich, dass im BAW-Modell lediglich vergleichsweise niedrige
Hochwasserstände einbezogen wurden.
Angesichts der potentiell langfristigen und großflächigen Auswirkungen dieser Baumaßnahmen auf die umliegenden Wattflächen des Nationalparks Wattenmeer scheint dieser 2-Wochen Zeitraum zu kurz
und als nicht repräsentativ gewählt. Dass die BAW auf Grundlage dieser Modellierung zu dem Schluss kommt, dass die UWA keine Auswirkungen auf die umliegenden Wattflächen haben wird, ist vor dem
Hintergrund der den Modellierungen zugrundeliegenden Hoch-wasserstände eventuell sogar nachvollziehbar. Allerdings soll die UWA ja ausdrücklich in das Tidegeschehen und die Sedimentation im
Umfeld der Medemrinne eingreifen, und somit ist wiederum auch eine Veränderung in den umliegenden Watten zu erwarten.
Vergleich der Frequenz von Hochwasserständen aus dem 'ganzen' Frühjahr (Mai bis Juli, Jahre 2000 - 2016, unten) mit Hochwasserständen aus der BAW-Modellierungsperiode (oben): Im BAW-Modell wurden nur niedrige Hochwasserstände einbezogen. - Grafik: BAW
In diesem Zusammenhang sollte entsprechend darauf hingewiesen werden, dass 2014, und damit nach der Fertigstellung der Antragsunterlagen, der aktuelle Bericht des IPCC (Intergovernmental Panel on
Climate Change) erschienen ist, in dem sämtliche frühere Aussagen zum Themenkomplex klimabedingter Meeresspiegelanstieg geprüft und neue, geänderte Prognosen veröffentlicht wurden. Die
Fortschritte in der Wissenschaft, Prognosen zum Meeresspiegelanstieg sowohl zeitlich als auch räumlich stets präziser vorherzusagen, sind rasant. Die Aussagekraft von Modellen mit Annahmen aus
den Jahren 2002/2003 scheinen dadurch mittlerweile sehr geschwächt zu sein. Der Einfluss der Bauwerke des Strombaukonzepts im Allgemeinen und der UWA Medemrinne im Speziellen auf das
Tidengeschehen entlang der Elbe wird sich über Jahrzehnte wenn nicht Jahrhunderte bemerkbar machen. Bei einer solch zeitlichen Dimension sollte im Sinne der Vorsorge und der Nachhaltigkeit eine
erneute Überprüfung der Ergebnisse der BAW-Modellierungen mit wissenschaftlich aktuellen Erkenntnissen geboten sein.
Das Wasser sucht sich seinen Weg
Eine von der Aktionsgemeinschaft Lebendige Tidelbe (eine Kooperation von WWF, BUND und NABU) in Auftrag gegebene alternative Modellierung der potentiellen hydromorphologischen Auswirkungen der
UWA Medemrinne kam entsprechend auch zu einer anderen Prognose. Diese alternative Modellierung zeigte, dass die Wirkungsweise der UWA Medemrinne nach fünf Jahren dazu führt, dass sich
Erosionsrinnen links und rechts der UWA bilden, die sehr wahrscheinlich die Effizienz der UWA signifikant dämpfen, zumal parallel dazu auch auf dem angrenzenden Medemsand durch Erosion ein
erhöhter Durchfluss des Tidenstroms ermöglicht wird. Für die Wattflächen vor der Dithmarscher Küste prognostizieren diese Simulationen großflächige Sedimentumlagerungen und ein weitreichendes
Umbilden der existierenden Priele. Natürliche Dynamiken sind im Rahmen des Schutzkonzepts 'Nationalpark' ausdrücklich erwünscht. Als Folge natürlicher Prozesse haben sich die Priele im Laufe der
Jahrzehnte auch ständig verändert. Diese Verlagerungen jedoch wären eindeutig auf menschliche Eingriffe zurückzuführen und sind in einem Nationalpark und UNESCO-Welterbegebiet nicht zu
tolerieren.
Fatale Fehleinschätzung in den Planfeststellungsunterlagen
In den Planfeststellungsunterlagen zum Themenkomplex "Schutzgut Tiere und Pflanzen, terrestrisch" steht auf Seite 114: "Auswirkungen der Unterwasserablagerungsflächen Medemrinne-Ost und Neufelder
Sand [...] auf Brutvögel sind nicht zu erwarten, da der Bereich [...] weder Brutvogelbiotop ist bzw. wird, noch als Nahrungsfläche für Brutvögel aus umgebenden, terrestrischen Bereichen
fungiert."
Tatsächlich aber ist seit vielen Jahren bekannt, dass die Watten, genauer das Prielsystem in direkter Nachbarschaft der Medemrinne das Hauptjagdgebiet der in unmittelbarer Nähe, im Vorland des
Neufelder Koogs, brütenden Flußseeschwalben darstellt. Die obige Aussage jedoch, die im weiteren Dokument nicht näher begründet wird, führte dazu, dass potentielle Auswirkungen auf die
Brutvogelwelt im südlichen Dithmarscher Watt gar nicht erst untersucht wurden und somit über ökologischen Nutzen oder gar negative Auswirkungen der UWA Medemrinne von Seiten der Planungsbehörden
keinerlei Aussagen gemacht werden können.
Inmitten der Kolonie der Flußseeschwalben brütet eine der seltensten Vogelarten Deutschlands, die hier vom Aussterben bedrohte Lachseeschwalbe. Seit einigen Jahren befindet sich im Vorland des
Neufelder Koogs der einzige regelmäßig genutzte Brutort Mitteleuropas. Durch die Hilfe eines intensiven Artenschutzprojektes des Landes Schleswig-Holsteins kann die Lachseeschwalben-Kolonie sogar
erfolgreich brüten. Der Erhalt und Fortbestand der Lachseeschwalben-Kolonie ist jedoch direkt abhängig vom Erhalt und Fortbestand der Neufelder Flußseeschwalben-Kolonie. Lachsseeschwalben sind
bei der Wahl des Brutplatzes auf sogenannte gastgebende Arten angewiesen, von der sie im Rahmen der Feindabwehr profitiert . Diese Rolle übernimmt im Neufelder Vorland die Flußseeschwalbe, und
wenn die Flußseeschwalben-Kolonie aufgrund von Veränderungen hervorgerufen durch die UWA Medemrinne verschwindet, dann wird mit ihr auch die Lachseeschwalbe verschwinden.
Die Flußseeschwalben-Kolonie im Neufelder Vorland - abhängig vom Elb-Stint
Im Vorland des Neufelder Koogs befindet sich mit über 2 000 Brutpaaren die größte Flußseeschwalben-Kolonie des Wattenmeers. Sie beheimatet ein Viertel des deutschen Brutbestands und ist eine der
größten Kolonien Mitteleuropas . Im Auftrag der Nationalparkverwaltung Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer, einem Geschäftsbereich des Landesbetriebs für Küstenschutz, Nationalpark und
Meeresschutz (LKN-SH) wird im Rahmen des Trilateral Monitoring and Assessment Programms TMAP der Trilateralen Wattenmeerkooperation dort jährlich der Bruterfolg erfasst. Die Ergebnisse des
Monitoringprogramms sprechen eine deutliche Sprache. Während in allen Wattenmeerregionen von den Niederlanden bis Dänemark die Flußseeschwalben seit den frühen 1990igern leicht bis mäßig
zurückgegangen sind, zeigen alleinig die Kolonien in Schleswig-Holstein stabile Bestände, nicht zuletzt durch den beständig hohen Bruterfolg der Neufelder Kolonie.
Die Neufelder Flußseeschwalben ernähren sich fast ausschließlich von Stinten. Sie profitieren davon, dass sich in den Prielsystemen in unmittelbarer Nachbarschaft zur Medemrinne wohl eine der
wichtigsten Kinderstuben der Elbstinte befindet. Stinte ziehen im zeitigen Frühjahr flussaufwärts und laichen in beruhigten, flachen Süßwasserbereichen der Elbe und ihrer Seitenarme.
Monitoringprojekte der Universität Hamburg lassen vermuten, dass in den verschiedenen Laichgebiete unterschiedliche Ablaich- und Schlupfzeiten der Stinte existieren, deren Jungfisch-Kohorten mit
zeitlicher Verzögerung in das Neufelder Wattsystem einziehen. Für die Flußseeschwalben bedeutet dies, dass sie über einen Zeitraum von 3 - 4 Monaten immer Stinte der geeigneten Größenklassen zur
Verfügung haben3.
Die Nahrungsvorkommen sind für die Neufelder Flußseeschwalben langfristig vorhersagbar und ermöglichen es ihnen regelmäßig zwei wenn nicht gar drei Nachgelege zu beginnen und erfolgreich Junge
hochzuziehen, wenn frühere Gelege durch Prädation oder Überflutung verloren gegangen sind.
Ob und wie die UWA Medemrinne die Stinte am Einwandern in die Prielsysteme vor dem Neufelder Koog gehindert werden ist bislang nicht untersucht worden. Die Planer behaupteten fälschlicherweise,
dass dieses Gebiet für Brutvögel nicht relevant wäre. Das BVerwG hat wissenschaftliche Publikationen der Hamburger Wissenschaftler und Gegengutachten der Naturschutzverbände zu diesem Aspekt
bislang ignoriert. Aktuell steht die schriftliche Begründung des Urteils vom noch 09. Februar 2017 aus.
Die Veränderungen im Tidenhub und damit einhergehenden Veränderungen in der Fließgeschwindigkeit im Bereich der UWA Medemrinne lässt befürchten, dass die jungen Stinte auf Schwierigkeiten treffen werden, wenn sie in die Prielsysteme, ihre Kinderstube, vor der Neufelder Küste wandern. Großräumige Erosions und Aufsedimentationsprozesse im Neufelder Watt lassen befürchten, dass sich das dort vorhandene Prielsystem durch Menschenhand grundsätzlich verändern wird und es ist fraglich, inwieweit sich dies nicht negativ auf die dortigen Stint-Bestände auswirken wird.
Das "Ergänzende fischereiwirtschftliche Gutachten" aus dem Jahr 2011 kommt zu dem Schluss, dass im Fanggebiet Medemrinne deutlich veränderte hydromorphologische Bedingungen die Fangbedingungen
beeinflussen wird. Das Gutachten prognostiziert sogar, dass die Stintfischerei dort für die gesamte Bauzeit der UWA Medemrinne ausfallen wird, da die Stinte durch den Bau vergrämt werden.
Weiterhin wird prognostiziert, dass auch die Verteilung der Garnelen (Krabbenfischerei) durch veränderte Strömungsregime dort negativ beeinflusst werden.
Die Hamburger Wissenschaftler haben dokumentiert, dass Garnelen die Hauptnahrung der jungen Stinte im Neufelder Watt darstellen. Sollte diese essentielle Nahrungsquelle der Stinte also durch den
Bau und die Wirkweise der UWA wegfallen, können die jungen Stinte dort nicht mehr existieren.
Wird also den Stinten der Weg in das Prielsystem vor der Neufelder Koog Flußseeschwalbenkolonie "versperrt" - und sei es "nur" für die Dauer der Bauzeit von mindestens zwei Jahren - oder aber
ihre Lebensgrundlage, die Garnelen, entzogen, fallen sie als Beute für die Flußseeschwalben weg. Die hätte signifikante Bestandseinbrüche bei der größten Kolonie des Wattenmeers zur Folge. Und ob
sie dann noch eine geeignete Nachbarschaft für die vom Aussterben bedrohte Lachseeschwalbe sein kann ist fraglich.
Die Bedeutung des Dithmarschers Watts für Brandgänse
Ähnlich wie andere Wasservögel erneuern Brandgänse im Spätsommer ihre Schwung- und Steuerfedern und sind in dieser Zeit vorübergehend flugunfähig. Die europäischen Brandgänse versammeln sich in
diesem Zeitraum an nur wenigen Mauserplätzen in Deutschland, den Niederlanden und in Großbritannien. Der Elbmündungsbereich stellt dabei das zentrale Mausergebiet für die nordwesteuropäischen
Brandgänse mit Maximalbeständen von bis zu 219.000 Individuen um das Jahr 2000 und dar. Dies entsprach mehr als 50 % des globalen (Altvogel-)Bestandes und nahezu der gesamten mitteleuropäischen
Population. Seit einigen Jahren ist zu beobachten, dass zeitgleich die Bestände vor der Dithmarscher Küste abnehmen und vor der niederländischen Wattenmeerküste zunehmen. Ob es sich hier um eine
Umverlagerung handelt ist nicht untersucht, jedoch ist es nicht unwahrscheinlich. Warum die Brandgänse an die niederländische Küste abwandern, ist nicht bekannt. Sehr wahrscheinlich liegen die
Gründe in der Verfügbarkeit geeigneter Nahrung und in der Abwesenheit von Störungen.
Das Dithmarscher Watt in Nachbarschaft der Medemrinne ist seit dem 19. Jahrhundert als traditioneller und wichtiger Mauserplatz bekannt. Nach wie vor wird hier mit rund 152.000 Individuen mehr
als die Hälfte der nordwest-europäischen Brandganspopulation registriert. Die niederländischen Mausergebiete beherbergen mit rund 42.000 Individuen sehr viel weniger Brandgänse - und weitere
herausragende europäische Mausergebiete sind nicht bekannt.
Der im Rahmen der Elbvertiefung geplante Bau der UWA Medemrinne hat Potential, dass das traditionelle Mausergebiet im Dithmarscher Watt bald nicht mehr genutzt werden kann. Auch wenn durch eine
Anpassung der Bauzeit ein gewisses Maß an Störung vermieden werden könnte, so werden doch durch die Funktionsweise der UWA gravierende Veränderungen im Sedimentregime des Dithmarscher Watts
erwartet, die sich negativ auf die Nahrungsgrundlage der Brandgänse auswirken werden. Brandgänse im Dithmarscher Watt scheinen unter anderem Schlickkrebse zu fressen. Schlickkrebse sind, wie der
Name schon sagt, auf vergleichsweise schlickige Sedimente angewiesen, und sie sind in unmittelbarer Nähe der Medemrinne in unglaublichen Mengen zu finden. Schlickkrebse werden auch von Garnelen
gefressen, die wiederum die Hauptbeute der Stinte darstellen.
Die Bedeutung des Dithmarscher Watts für Knutts
Das Dithmarscher Watt ist der einzige Ort im Wattenmeer, an dem sich die afro-sibirische Population des Knutts auf ihrem Zug von den westafrikanischen Überwinterungs- in die arktischen
Brutgebieten die benötigten Energiereserven anlegen können.
Der Wegfall der alternativlosen Beute, der Roten Bohne, einer vergleichsweise dünnschaligen Muschel, hätte das Aussterben einer von weltweit sechs vorkommenden Unterarten des Knutts zur Folge,
einer Watvogelart, die weltweit als potenziell gefährdet (NT Near Threatened). Die Nahrungshabitate, in denen die afro-sibirischen Knutts innerhalb von drei Wochen die benötigten Energiereserven
für den Zug in die Brutgebiete erwerben, liegen in unmittelbarer Nähe der Medemrinne und ihren geplanten UWS und Umlagerungsstellen.
Turteltaube - Foto: Petra Quillfeldt
Die Zahlen zu Bestand und Bejagung der Turteltaube sind ernüchternd: Von geschätzten 3 bis 6 Millionen Brutpaaren in Europa und Russland werden allein in den Mitgliedsstaaten der EU jährlich geschätzte 2 bis 3 Millionen Vögel erlegt. Bis auf 600.000 Abschüsse im Mittelmeerraum schätzt BirdLife International die Verluste bei Turteltauben. Das Wissen über die Abschussstatistiken und die Variation von Jahr zu Jahr im Hinblick auf die Verteilung zwischen Europa und Nord- und Westafrika ist jedoch zu unsicher, um das Ausmaß und die Veränderungen im Jagddruck genau abzuschätzen. Die Zahlen machen aber eines klar. In Anbetracht der geringen Bruterfolge durch Lebensraumveränderungen fällt dem Faktor Jagd ein viel größeres Gewicht als Ursache für die jüngsten Bestandsrückgänge zu.
Die Jagd beschränkt sich nicht nur auf nordafrikanische Staaten wie Marokko und Mauretanien, auch auf den Zugwegen in einzelnen Mitgliedsstaaten der Europäischen Union ist die Jagd zugelassen und
ein andauernder Streitpunkt. In Griechenland, Spanien, Frankreich, Italien, Zypern, Malta, Österreich und Portugal – wo überall wichtige Zwischenstopps auf dem Zugweg liegen, ist die Jagd im
Herbst auf dem Flug nach Süden legal. Die Abschüsse zu Sport- oder Vergnügungszwecken ist nicht nur eine unmittelbare Gefahr für den einzelnen Vogel sondern bedeutet auch den Verlust von
wichtigen Lebensräumen durch Störung.
Als einziges EU-Land hat Malta sogar eine Ausnahmegenehmigung für den Abschuss von 11.000 Turteltauben auch auf dem Frühjahrszug. Aufgrund des Drucks von NABU und anderen
Naturschutzorganisationen wurde diese Genehmigung 2017 das erste Mal ausgesetzt. Wie lange dieses Moratorium jedoch hält, ist unbekannt.
Über die Zugrouten der Turteltaube ist bisher recht wenig bekannt und die Zusammenhänge einzelner Brutbestände und Winterlebensräume sind fast vollkommen unbekannt. Es gibt drei Hauptzugrouten in das Überwinterungsgebiet - die Sahelzone südlich der Sahara - die von den Turteltauben genutzt werden. Erste Beobachtungsdaten lassen vermuten, dass Turteltauben aus Westeuropa über die Iberische Halbinsel ziehen und den Winter in der westafrikanischen Sahelzone verbringen. Turteltauben aus Ost- und Zentraleuropa wandern wahrscheinlich über Italien, Malta, Zypern, Tunesien und Libyen und überwintern weiter östlich im Sudan, in Äthiopien und dem Tschad. Vermutlich verläuft zwischen dem Osten Deutschlands und Tschechiens eine Zugscheide zwischen den westlich und zentral ziehenden Turteltauben.
Die Beringung und der Wiederfang von Vögeln sowie die Ausstattung einzelner Individuen mit Satellitensendern und Geolokatoren haben bei vielen Vogelarten Informationen zu Zugrouten und Überwinterungsgebieten geliefert. Um auch den Rückgang der Turteltauben zu verstehen und wirksam einzudämmen, ist ein internationaler Austausch von Forschungsmethoden und Daten notwendig. Dieses Ziel verfolgt der NABU zusammen mit seinem Partnerverband BirdLife Malta und der Universität Gießen, die ein EU-Projekt namens EURODOVE bearbeiten. Das gemeinsame Ziel ist es, besser zu verstehen, wie die verschiedenen Populationen der Turteltauben in Verbindung stehen, wie die Zugrouten genutzt und welche Vögel wo gejagt werden. Das Ausmaß der Infektionen mit Trichomonaden ist bislang nur in England untersucht worden und soll nun ausgeweitet werden. Die durch Trichomonas verursachte Krankheit und Konditionsschwächen können eine weitere Ursache für den Rückgang sein.
In diesem Rahmen wurden bereits 2016 und 2017 auf Malta Turteltauben besendert. Ihre Reise kann nun auf dem Turteltauben-Blog des NABU live verfolgt werden. Im nächsten Jahr möchte der NABU nicht nur die Besenderung von zehn weiteren Vögeln auf Malta unterstützen sondern auch zehn weitere Vögel in ihren deutschen Brutgebieten mit kleinen Rucksacksendern ausstatten. Ihre Reise kann dann beim NABU verfolgt werden. Dass diese Turteltauben außerdem zu den ersten Vögeln gehören werden, die im Rahmen der ICARUS-Initiative über eine Raumsonde der European Space Agenca (ESA) Daten übermitteln, ist dabei besonders spannend.
Artenreiche Wegraine haben eine große Bedeutung u. a. als Lebensraum und Wanderkorridor für Pflanzen und Tiere. - Foto: Helge May
Nach Beobachtungen des NABU scheint es bei den Landwirten allgemein immer stärker um sich zu greifen, die eigene Ackerfläche bis unmittelbar an die Straßen- oder Wegebankette zu erweitern.
Grundstückseinmessungen in Niedersachsen haben gezeigt, dass dabei sehr häufig Eigentum der Gemeinden, des Kreises oder des Landes als Eigentümer der Grenzflächen okkupiert wird. Meist sind
gemeindeeigene Wege und Straßen betroffen, zumal die Gemeinden sich, auf gutes Einvernehmen mit den Bauern bedacht oder ohne Interesse an der Sache, kaum darum kümmern. Wenn sie dies jedoch in
Angriff nehmen, ist diese "Rückeroberung" der illegal bewirtschafteten Flächen oftmals aufwendig und mit der erneuten Vermessung der Wegeränder verbunden. Bei Bundesstraßen sind die Landwirte
offensichtlich wegen der höheren Kontrolldichte, aber auch wegen des stärkeren Verkehrs, zumeist vorsichtiger.
Keine Rücksicht auf Natur
Durch die Mit-Nutzung geht ein typischer, prägender Aspekt der Kulturlandschaft verloren. Für die Natur ist die illegale Bewirtschaftung der Randstreifen nachteilig, da wichtige Lebensräume und
Korridore für Tiere und Pflanzen verloren gehen. Blüten besuchende Insekten wie die Wildbienen verlieren ihre Nahrungsquelle.
Problematisch und teuer wird es zudem für Gemeinden, wenn durch die randliche Feldbestellung der Boden an der Straße oder dem Weg so gelockert ist, dass sich der Straßenbelag seitlich absenkt,
weil die stützende Bankette fehlt. Dieses wird durch den zunehmend schwereren Landmaschinenverkehr, v.a. auf schmalen Feldwegen, noch verstärkt. In Schleswig-Holstein sind die Straßen des
überörtlichen Verkehrs (ohne Autobahnen) rd. 9.300 km lang, das Netz der Landesstraßen umfasst dabei rd. 3.700 km, das der Kreisstraßen rd. 4.100 km (Verkehrsministeriums Kiel,
Stand März 2016). Das ländliche Wegenetz in Schleswig-Holstein im Aufgabenbereich der Gemeinden weist nach Schätzungen demgegenüber eine Gesamtlänge von ca. 27.500 km auf.
Junge Schwarzstörche im Nest, von einem für die Natur unverträglichen Ausbau der Windenergie bedroht. - Foto: Michael Rüttiger
Anlässlich einer aufflackernden Diskussion um Mindestabstände von geplanten WKA-Anlagen zur Horststandorten bedrohter Großvogelarten hat die Staatskanzlei / Landesplanung laut verschiedener
Quellen verlauten lassen, die ursprünglich vorgesehenen Tabubereiche für die Windenergienutzung um Horststandorte für u.a. Seeadler und Schwarzstorch wieder in Frage zu stellen. In einem offenen
Brief an den Chef der Kieler Staatskanzlei, Herrn Thomas Losse-Müller, kritisiert der NABU die verlautete Absicht scharf. Der NABU dokumentiert im Folgenden den Brief, der vor einigen Tagen
zugestellt wurde.
Sehr geehrter Herr Losse-Müller,
einer der wesentlichen Konflikte des Naturschutzes mit der Windkraft betrifft die Gefährdung bestimmter Großvogelarten wie Seeadler, Rotmilan sowie Weiß- und Schwarzstorch durch den Bau von
Windkraftanlagen (WKA) im näheren Umfeld ihrer Brutplätze. Um Verluste bei diesen naturschutzrechtlich streng geschützten Arten weitgehend zu vermeiden, hat das Land im März diesen Jahres
folgerichtig beschlossen, den Nahbereich der Brutplätze (sogenannter potenzieller Beeinträchtigungsbereich) zum Tabukriterium zu erklären, d.h. dort keine Errichtung von WKA zuzulassen.
Anlässlich eines Scoping-Termins hat der NABU jedoch kürzlich erfahren, dass die Staatskanzlei bzw. die ihr zugeordnete Landesplanung diese Entscheidung wieder massiv in Frage stellt und offenbar
auf die Einstufung der potenziellen Beeinträchtigungsbereiche als der Abwägung zu unterwerfende Bereiche hinwirkt.
Diese dem Naturschutz gegenüber höchst destruktive Haltung empört uns!
Zur Situation: Während ursprünglich in Orientierung an den Empfehlungen der Staatlichen Vogelschutzwarten in den potenziellen Beeinträchtigungsbereichen (je nach Art im Radius von 1.000 m bis
3.000 m zum Nistplatz) der Bau von WKA grundsätzlich ausgeschlossen war, wurde diese Regelung 2012 außer Kraft gesetzt. Die potenziellen Beeinträchtigungsbereiche wurden vom Tabubereich zum
Abwägungsbereich heruntergestuft. Von nun an durften sie der WKA-Planung unterzogen werden, deren Realisierung vom Ergebnis einer artenschutzfachlichen und -rechtlichen Prüfung abhängig gemacht
wurde. Fachliche Grundlage dafür bildeten von den Windkraftinvestoren in Auftrag gegebene ornithologische Gutachten.
In der Praxis attestierten die Gutachter der jeweiligen WKA-Planung fast ausnahmslos die Unbedenklichkeit, d.h. eine signifikante Kollisionsgefährdung wurde fast immer verneint. Trotz aller
Versuche des MELUR und LLUR, über methodische Vorgaben gewisse qualitative Standards festzulegen, wiesen weiterhin etliche Gutachten eklatante Mängel beispielsweise bei der Datenerfassung auf.
Darüber hinaus gab es oft geradezu abenteuerliche Interpretationen des Datenmaterials - mit dem offensichtlichen Ziel, im Sinne des Auftraggebers die Umsetzung der WKA-Planung nicht zu gefährden.
Daraus resultierten nicht zuletzt auch für die unteren Naturschutzbehörden und die Staatliche Vogelschutzwarte im LLUR als zur objektiven artenschutzrechtlichen Prüfung verpflichtete Fachbehörden
erhebliche Probleme. Denn der nach § 44 Bundesnaturschutzgesetz sowie nach der EU-Vogelschutzrichtlinie zwingend notwendige Ausschluss eines signifikant erhöhten Tötungsrisikos kann auf derart
zweifelhafter Grundlage nicht bedenkenlos bestätigt werden. Unter anderem in einem im Juli 2015 geführten Fachgespräch haben NABU, Ornithologische Arbeitsgemeinschaft sowie die unteren
Naturschutzbehörden dem MELUR diese äußerst missliche Situation anhand diverser Fallbeispiele verdeutlicht.
Vor diesem Hintergrund zog die Landesregierung im März diesen Jahres auf Anregung des Energiewende- und Umweltministers Habeck berechtigterweise die 'Reißleine' und beschloss, die potenziellen
Beeinträchtigungsbereiche um die Brutplätze der genannten Großvogelarten für die WKA-Planung zu 'weichen Tabukriterien' zu erklären und damit die Errichtung von WKA in diesen aus
Artenschutzgründen äußerst sensiblen Gebieten wieder grundsätzlich auszuschließen. Der NABU und die anderen Naturschutzverbände sowie die Naturschutzbehörden haben diese Entscheidung ausdrücklich
begrüßt. Sehr positiv vermerkt wurde von unserer Seite auch, dass dieser neue Planungsgrundsatz auf den folgenden Regionalkonferenzen bekannt gegeben wurde. Auf der Homepage des Landes wurden
zudem die Karten der „vorläufigen Darstellung der Abwägungsbereiche für Windenergienutzung im Rahmen der Teilaufstellung der Regionalpläne“ sogleich um die neuen Tabubereiche bereinigt.
Umso fassungsloser ist der NABU deshalb, dass nun wieder - nach nur wenigen Wochen - seitens der Landesplanung eine Kehrtwendung angestrebt wird. Auf einem anlässlich einer WKA-Planung in der
Gemeinde Holzdorf (Schleiregion) - dort sollen nach dem Willen des Investors WKA in nur 1.500 m Abstand zu einem langjährig besetzten Seeadlerbrutplatz gebaut werden - anberaumten Scoping-Termin
am 20. April 2016 wiesen die Vertreter der als Genehmigungsverfahrensstelle letztlich zuständigen Abteilung Technischer Umweltschutz des LLUR in aller Deutlichkeit darauf hin, dass die bisherige
Entscheidung, die potenziellen Beeinträchtigungsbereiche zu Tabuzonen zu erklären, im Zuge der anstehenden Teilfortschreibung der Regionalpläne durchaus wieder zurückgezogen werden könnte.
Für diesen von der Landesplanung bzw. der Staatskanzlei forcierten Versuch, zu den alten, den Artenschutz geradezu verhöhnenden Zuständen zurückzukehren, können wir keinerlei Verständnis
aufbringen. Damit würden wieder unerquickliche Abwägungsprozesse in Gang gesetzt und die Entscheidungen über das Schicksal besonders gefährdeter Arten erneut der gutachterlichen Willkür
unterworfen werden. Wir werden es nicht hinnehmen, dass die Empfehlungen der Staatlichen Vogelschutzwarten - immerhin die offiziell für Fragen des Vogelschutz zuständigen Fachorgane der Länder -,
bestimmte Radien um die Neststandorte als Tabubereiche von WKA freizuhalten, solcherart mit Füßen getreten werden!
Sehr geehrter Herr Losse-Müller, der NABU bittet Sie eindringlich, diese destruktive Position nicht weiter verfolgen zu lassen. Sicherlich ist Ihnen nicht entgangen, dass vor allem auf regionaler
Ebene der Unmut der Umweltverbände aufgrund von Bestrebungen, selbst an ökologisch sehr sensiblen Standorten WKA-Planungen mit der Brechstange durchzudrücken, wächst. Mittlerweile häufig
fundamental gegen Windkraft eingestellte Bürgerinitiativen versuchen das auszunutzen. Bislang haben wir uns der ‚harten Anti-WKA-Riege‘ mit guten Argumenten entgegen stellen können - dies
allerdings von der Überzeugung getragen, dass ökologisch sensible Bereiche Tabuzonen bleiben müssen und dass das auch planerisch umgesetzt werden wird.
Sollte aber diese Grundlage durch unverhältnismäßig zu Lasten von Natur und Landschaft gehende WKA-Planungen beschädigt werden, werden wir als Landesvorstand und Geschäftsführung unseren vor Ort
engagierten NABU-Mitgliedern und anderen Umweltschützern nicht länger guten Gewissens erklären können, weshalb wir den Kurs des Landes zum Ausbau der Windenergie weiterhin unterstützen sollten.
Im Hinblick auf die allgemein im Lande bröckelnde Zustimmung zum Windenergieausbau wäre es sicherlich ein fatales Signal, wenn die Landesregierung aufgrund unnötiger Konfrontation den immerhin
größten Umweltverband des Landes in Sachen Windenergie verprellen würde.
Mit freundlichen Grüßen
Fritz Heydemann
Stellv. NABU Landesvorsitzender
Hey, 25. April 2016